NF 78: Mythos als Aufgabe
Mythos als Aufgabe. Geschichtsschreibung am Niederrhein und in Westfalen im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit. Beiträge der Online-Tagung am 17. und 18. Juni 2021, hg. von Ralf-Peter FUCHS, Jens LIEVEN und Stefan PÄTZOLD, Münster 2025, ca. 500 Seiten, Festeinband, zahlreiche Abbildungen (Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Westfalen, Neue Folge 78). Aschendorff, ISBN 978-3-402-15151-8, Preis ca. 49,00 Euro
Bereits im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit waren sich die Geschichtsschreiber darüber im Klaren, dass sie in einem Spannungsfeld operierten: Auf der einen Seite fühlten sie sich verpflichtet, die Ereignisse so genau zu beschreiben, wie es ihnen aufgrund ihrer Kenntnisse möglich war – auf der anderen Seite hatten sie im politischen Raum zu wirken, um Identifikationsangebote zu entwickeln und Führungsansprüche zu legitimieren. Mythische Elemente fanden damit wie selbstverständlich Eingang in die Geschichtsschreibung. Die Darstellung von Ungeheuern und Fabelwesen, von vermeintlichen Vorfahren und von berühmten Ahnen aus grauer Vorzeit – möglichst aus der griechisch-römischen Antike – wurde zum Bestandteil der Historiographie.
Im vorliegenden Band wird dieses Spannungsfeld aus verschiedenen Perspektiven und an mehreren Beispielen beleuchtet. Die Autorinnen und Autoren untersuchen, inwieweit sich die Geschichtsschreiber von Mythen abgrenzten, sie aufgriffen oder gegebenenfalls veränderten. Behandelt werden vorrangig Texte aus dem niederrheinisch-westfälischen Raum, einbezogen wird dabei auch das heute zu den Niederlanden gehörende Geldern. In den Beispielen geht es um die familiären Ursprünge von Herrscherhäusern, um Klostergründungen, die Entstehung von Ländern und von Städten. Besonders gern wurde eine Verbindung zu historischen Figuren wie Karl dem Großen und dem Sachsenherzog Widukind konstruiert. Auch die Verbindung von Landschaft und Mythos wird behandelt. So enthält der Band eine lyrische Beschreibung der Ruhr aus dem 16. Jahrhundert, die hier erstmals in deutscher Übersetzung vorgelegt wird.